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22/02/2017 / Clemens Rüttenauer

Computerbrillen als Sehhilfe

Seit die OrCam auf der Sight City 2016 vorgestellt wurde und seit es sie in Deutschland zu kaufen gibt, ist ein regelrechter Hype darum entstanden. Was kann die OrCam wirklich und was tut sich sonst noch auf dem Gebiet der Computerbrillen. 

Inhalt

OrCam
eSight
Oled Kamerabrille
Microsofts Mixed Reality Brille HoloLens
Laserbrille von QD Laser / Fujitsu
NuEyes


Orcam

Die OrCam besteht aus zwei Teilen. Einer Brille mit seitlicher Kamera und Knochenleitkopfhörer sowie einem Taschencomputer. Beide Teile sind mit einem Kabel verbunden. Interessierte Leser verfolgen die Geschichte der OrCam schon länger. Erste Berichte erschienen bei Technology Report des Heise Verlags , in der Süddeutschen Zeitung und in der Kronenzeitung. Pro7 berichtete in der Reihe Galileo über diese Erfindung –  mit einem ausführlichen Video. Hier geht’s zum Pro7-Video.

Wesentlich neuer, nämlich von Dezember 2016 – also nach der Einführung in Deutschland – ist der Bericht in der Welt mit der Überschrift „Spektakuläre Erfindung lässt Blinde Bücher lesen

Von einer Funktion- der Ampel-Erkennung – hat man sich während der Entwicklungsphase wieder verabschiedet. Die Gefahr, dass eine falsche Ampel anvisiert wird, war wohl zu groß.

Daniela Grießbauer berichtet über ihre Erfahrungen in einer etwa einstündigen Podcast-Episode auf TuKSuB:

Sehr informativ, praxisnah und professionell vorgetragen ist der Audiobeitrag bei TIBS e.V.; den Beitrag kann man hier direkt anhören oder herunterladen (im Daisy Format).


Es gibt die OrCam in zwei Ausführungen: als Basismodell „My Reader“ und als „My Eye“ mit den Zusatzfunktionen Produkt- und Gesichtserkennung.


Die Stärken der OrCam liegen eindeutig im Vorlesen. Nun sind Texterkennung (OCR) und Sprachausgabe (TTS) allein noch nichts revolutionär Neues. Neu ist die Geschwindigkeit, in der das hier von statten geht, und neu ist das durchdachte Bedienkonzept.


Wer ernsthaft daran interessiert ist, sollte mehrere Angebote einholen, denn die Preise sind offensichtlich sehr unterschiedlich. Auch sollte eine Einführung mit im Leistungsangebot enthalten sein.


eSight

Ein ganz anderes Konzept verfolgen die kanadischen Entwickler der Computerbrille eSight. Hier steht die optische Aufbereitung und Sichtbar-Machung im Vordergrund.


Die Brille ähnelt einer VR Brille, wie sie Gamer verwenden. Nur, dass eben nicht eine surreale Spiele-Welt sondern die reale Welt abgebildet wird. Was die Kamera erfasst, wird auf der Innenseite der Brille wiedergegeben. Die Brille ist geschlossen; man kann also nicht durchsehen. Die Darstellung ist einstellbar, je nach Art der Netzhautschädigung und den individuellen Bedürfnissen. Ähnlich, wie wir ja auch am PC ganz unterschiedliche Einstellungen wählen.

Auf der Webseite gibt es unter der Rubrik „ Company > About Us“ einige spektakuläre Videos.


Aktuell – Februar 2017 – berichtet Heise online über das neueste Modell eSight 3. Der Preis von 10.000 Dollar dürfte aber doch die Meisten abschrecken.


Oled Kamerabrille

Noch in der Testphase ist eine Entwicklung von Wissenschaftlern der Universität Oxford. Vorgestellt wurde sie im November 2013 unter der etwas irreführenden Schlagzeile „OLED-Kamerabrille soll Blinde wieder sehen lassen“. Das war wohl journalistischem Übereifer geschuldet, denn dieses System ist gerade für Menschen mit Restsehvermögen gedacht. Die optischen Signale werden je nach Art der Sehschädigung aufbereitet, verstärkt und in der OLED-Brille wiedergegeben. Auch hier ist eine Sprachausgabe vorgesehen. Weitere Informationen bei pressetxt.de und supashop.ch. Der aktuelle Stand der Entwicklung (Januar 2015) wird bei Winfuture.de geschildert – mit einem ausführlichen Video. Interessant dürfte der genannte Preis von 500 Euro sein.

Gibt es neuere Informationen über den Stand der Entwicklung?


Microsofts Mixed Reality Brille HoloLens

Augmented Reality (AR) ist eigentlich nichts Neues. Der unbestrittene „Father of AR“ Steve Mann beschäftigt sich seit mehr als 35 Jahren mit AR-Brillen. AR bedeutet so viel wie erweiterte Realitätswahrnehmung mit Hilfe von Hochtechnologie (Kamera, Elektronik, Sensoren, Internet, Algorithmen). Der Flop von Google Glass zeigte, dass nicht jeder Versuchsballon wirklich an Höhe gewinnt, doch die Entwicklung geht weiter. Vorangetrieben wird sie von kommerziellen Erwartungen. Eine typische Zielgruppe sind technikbegeisterte Gamer. Aber so ganz nebenbei können auch Sehgeschädigte und Blinde von diesen Entwicklungen profitieren. Jüngstes Beispiel ist Microsofts Mixed Reality Brille HoloLens.
Wohl zur Abgrenzung von der Konkurrenz führt Microsoft mit „Mixed Reality“ einen neuen Begriff ein. Was sich dahinter verbirgt, erläutert Microsoft hier. Die entscheidende Eigenschaft ist der stufenlose Wechsel zwischen der Realität und der vollständigen Virtualität. Gamer sollen ihr virtuelles Spiel innerhalb ihres realen Raumes spielen können. Dazu analysiert und vermisst die HoloLens den realen Raum.

Der Entwickler Javier Davalos macht sich diese Fähigkeiten der HoloLens zunutze und sendet akustische Signale über die Umgebung an die Ohren des Nutzers. Dr. Windows berichtet darüber im Artikel „Spannend: Wie HoloLens auch für Blinde hilfreich sein kann„. 


Laserbrille von QD Laser / Fujitsu

Wenn sich zwei renomierte Firmen an dieses Thema wagen und auch schon einen Prototyp vorstellen können, ist die Hoffnung berechtigt, dass am Ende etwas Großes herauskommt.
Die Brille projiziert ein Laserbild auf die Netzhaut. Im Bericht stehen Kurz- und Weitsichtigkeit sowie Astigmatismus im Vordergrund. Diese Technik sollte es jedoch auch ermöglichen, bei Netzhautschäden das Bild an die am besten geeignete Stelle auf der Netzhaut zu senden. Einen ausführlichen Bericht gibt es bei Heise Technology Review.


NuEyes

What is NuEyes?
Wearable technology is the future and NuEyes featuring ODG smartglasses brings the future to you in a small, compact yet powerful head worn device. NuEyes featuring ODG smartglasses, finally makes it possible for those with visual impairments to connect with loved ones and others without always having to use a big clunky machine. Our removable visual prosthetic helps the visually impaired see again while keeping their hands free. Weiterlesen auf der Homepage des Herstellers.

8 Kommentare

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  1. curi56 / Jan 11 2018 8:47 pm

    Hat dies auf rebloggt.

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  2. curi56 / Jan 11 2018 8:54 pm

    hi, meine Schwester ist inzwischen völlig erblindet (Rhet.Pigmentosa) – also ich bin ein Computerfreak und habe mich ziemlich schlau gemacht, wie ich meiner Schwester helfen könne -ORCAM war eine riesige Enttäuschung: kein Rückruf, keine mail beantwortet – im Regen stehen gelassen – irgendwie habe ich bei all diesen Seh-Hilfen das Gefühl, das zwar guter Wille, große Bemühungen, da sind, aber wie soll sich da ein blinder Mensch orientieren? Ich sehe im Blindenbund ältere, vollbline, allein stehende Menschen – wie sollen diese an die Früchte einer Seh-Hilfe gelangen?
    Inzwischen aber ist „Alexa“ im Haushalt meiner Schwester ziemlich hilfreich geworden, der Frust über das ständige Suchen in der Wohnung usw. hat sich verringert, sie hat mehr Überblick über die
    eingegeben Post usw. – Bis dann!

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    • Clemens Rüttenauer / Jan 11 2018 9:17 pm

      Also die ORCAM kann Text vorlesen – mehr nicht. Sie ist vor allem keine Orientierungshilfe. Die Technik an sich ist nichts Neues – nur, dass die Kamera an der Brille befestigt ist. Das Marketing ist sehr aggressiv und weckt womöglich falsche Hoffnungen.
      Das Angebot an Hilfsmitteln ist eigentlich ja sehr groß. Was das Geeignete ist, muss jeder selbst herausfinden.
      Das universellste Hilfsmittel – das eigentlich ja gar kein Hilfsmittel ist – ist das iPhone. Das Bedienungskonzept Voice Over ist genial und wird einigermaßen konsequent durchgehalten.
      Ich habe erlebt, dass auch Menschen mit jenseits der 70 noch den Zugang geschafft haben. Das kann man aber nicht verallgemeinern.
      Viel Erfolg!

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      • curi56 / Jan 12 2018 10:05 am

        MENSCH, danke – „es“ nimmt sich ja kaum jemand die Mühe, etwas zu erklären. Ich schau mal dieses iPhone mit Voice Over besser an, mit „Augen meiner Schwester“ – was eigentlich fürchterlich klingt. LG Annamaria G.

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      • Clemens Rüttenauer / Jan 12 2018 10:56 am

        Mein eigener Artikel zum iPhone https://sehblick.net/2013/01/06/iphone/ ist ja nicht mehr ganz neu und teilweise überholt, aber die ersten 3 Kapitel sollten Mut machen, sich mit dem Ding auseinanderzusetzen. LG Clemens

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      • curi56 / Jan 12 2018 10:09 am

        https://www.apple.com/de/accessibility/iphone/vision/ DAS HABE ICH NICHT GEWUSST – mache mich gleich damit vertraut

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      • curi56 / Jan 12 2018 10:20 am

        Neu in iOS 11
        VoiceOver Bilderkennung
        VoiceOver kann jetzt Bilder beschreiben und dir unter anderem sagen, ob auf einem Foto ein Baum, ein Hund oder vier lächelnde Gesichter sind. Außerdem kann es Texte auf Bildern vorlesen – egal ob Fotos von Quittungen oder Artikel aus Zeitschriften – selbst wenn das Bild unkommentiert ist. Und in der Fotos App kannst du durch Berührung die Gesichts­ausdrücke von Personen in deinen Fotos entdecken. Tippe einfach mit drei Fingern auf das Bild und VoiceOver beschreibt es dir.

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